Nach einer einjährigen Vorlaufzeit hat Dr. Detlef Krenz am 1. Oktober satzungsgemäß das Amt des 98. Vereinsvorsitzenden der Vereinigung der Bayerischen Chirurgen übernommen. Es schließt das des Präsidenten des bayerischen Chirurgenkongresses 2021 und zahlreiche nie dagewesene Herausforderungen ein. Im Interview sprechen wir mit dem Chefarzt unserer Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie über seine Ernennung und die mit ihr noch für zwölf weitere Monate verbundenen repräsentativen und organisatorischen Tätigkeiten.
Was gehört außer der Vorbereitung und Leitung des bayerischen Chirurgenkongresses 2021 mit zu Ihren Aufgaben?
Die zweite große Aufgabe besteht darin, als Repräsentant der bayerischen Chirurgie vor externem Fachpublikum und Patientenvertretungen zu sprechen und die Interessen der Bayerischen Chirurgie auch im Kontakt mit offiziellen Stellen, wie z. B. der Bayerischen Landesärztekammer, zu vertreten.
Seit Oktober sind die Infektionszahlen rasant gestiegen und es gilt, nach Möglichkeit direkte Kontakte zu vermeiden. Heißt das, Sie haben im Vergleich zu Ihren Vorgängern weniger zu tun?
Das könnte man vielleicht meinen, doch das Gegenteil ist der Fall. Tatsächlich geht der Aufwand über das übliche Maß hinaus. Für den Chirurgenkongress 2021, den wir als Hybridveranstaltung planen, also als ein Live-Event mit begrenzten Teilnehmerzahlen und parallelen virtuellen Veranstaltungen, benötigen wir ganz neue Konzepte und Strukturen.
Wir sind noch dabei, uns mit dem neuen Format vertraut zu machen und die nötigen technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das ist eine ganz neue Herausforderung, aber wiederum auch eine Chance etwas Neues zu lernen und sich weiterzuentwickeln und nicht zuletzt auch neue Netzwerke zu knüpfen. Und natürlich ist auch hier wieder mein Team mein starker Rückhalt.
Wie weit ist die Planung denn schon vorgedrungen – steht bereits das Programm?
Die Vorbereitungen laufen schon, auch für den Pflegekongress, der stets begleitend stattfindet und an dessen Planung unsere Pflegedirektorin Anja Schulze beteiligt wird. Es ist gute Tradition, dass die jeweilige Pflegedirektion des Hauses, das den Vorsitzenden stellt, in die Organisation des Pflegekongresses eingebunden wird.
Die einzelnen Programmpunkte sind zurzeit zwar noch nicht alle ausgearbeitet, aber die Themen sind im Wesentlichen gesetzt und ein Titel ist gefunden. Er lautet: „Chirurgie für die Zukunft – gemeinsam voran mit Empathie und Enthusiasmus." Das endgültige Programm wird unter meiner Leitung zu gegebener Zeit von einem wissenschaftlichen Komitee festgelegt, dem aus unserem Hause Professor Stephan Kellnar für die Kinderchirurgie, Dr. Agamemnon Sotiriou für die Gefäßchirurgie, Professor Rupert Meller für die Unfallchirurgie und Professor Christian Gabka für die plastische Chirurgie angehören. Aus Gauting kommt Professor Rudolf Hatz für die Thoraxchirurgie hinzu. Wir wollen im Rahmen der Möglichkeiten alle Aspekte der chirurgischen Vielfalt berücksichtigen.
Die Chirurgie der Zukunft – wo geht Ihrer Ansicht nach die Reise hin?
Sicher werden die technologischen Entwicklungen, wie z. B. die roboterassistierte Chirurgie und integrierte Systeme, zunehmend Eingang in die Patientenversorgung finden. Künstliche Intelligenz wird im Operationssaal eingesetzt werden und die Chirurgen unterstützen.
Entscheidend wird sein, wo die Patienten, aber auch die Chirurgen vom Einsatz solcher Systeme profitieren und wo Prozesse sicherer und einfacher werden. Ein wichtiges Kriterium wird bei den begrenzten Ressourcen auch die Ökonomie spielen müssen. Schließlich müssen diese Weiterentwicklungen auch finanzierbar bleiben. Allerdings ist bislang nicht absehbar, dass die Chirurgin oder der Chirurg irgendwann durch eigenständig operierende Roboter ersetzt werden kann. Dies gilt gerade auch deshalb, weil die Chirurgie eben deutlich mehr ist als die reine Verrichtung der Operation.
Schließlich ist man in keiner anderen Fachdisziplin so nah am, wenn nicht sogar im Patienten wie in der Chirurgie. Die Empathie, die Fähigkeit sich in jeden einzelnen Patienten und seine individuelle Situation einzufühlen, spielt sowohl bei der Indikationsstellung als auch beim Operationsablauf eine ganz wesentliche Rolle. Nur damit werden wir den berechtigten Ansprüchen unserer Patienten wirklich gerecht. Denkbar ist allein, dass assistierte Systeme entstehen und sich entwickeln, die operative Verfahren vereinfachen und einzelne Abläufe unter Steuerung des Chirurgen präziser durchführen können, als der Mensch selbst.
Maßgeblich ist bei allen bisher bekannten und sicher noch weit in die Zukunft reichenden Systemen ein Chirurg erforderlich, der die Technologie steuert und – wie bisher – die Verantwortung für das Geschehen im Operationssaal, aber auch vor und nach der Operation für die Patienten, gerne übernimmt. Diese Entwicklungen mit Enthusiasmus, aber auch mit kritischem Urteilsvermögen zu steuern, ist eine der großen Aufgaben in der Chirurgie.
Für welches Ziel treten Sie als Präsident des bayerischen Chirurgenkongresses 2021 ein?
Wie meine Vorgänger werde ich versuchen, die unterschiedlichen Interessen aller Seiten zu berücksichtigen, wie beispielsweise die der universitären Medizin auf der einen und die der Versorgungsmedizin in den mittelgroßen und kleineren Krankenhäusern auf der anderen Seite. Es muss allen klar werden, dass wir die Aufgaben für die Zukunft nur gemeinsam bewältigen können, jeder nach seinen Möglichkeiten. Die Vernetzung der Kliniken miteinander wird die Lösung bringen, nicht das konkurrierende Verhalten.
Das ist insbesondere bei der Kongressgestaltung von Bedeutung. Es zeichnet den bayerischen Chirurgenkongress aus, dass er High-End-Medizin und Forschung und die ganz normale, alltägliche Grund- und Regelversorgung im Allgemeinen miteinander in Einklang bringt. Bei großen internationalen Kongressen ist dies in dieser Form nicht möglich. Ich bin froh und glücklich, diese Aspekte als Vorsitzender der Vereinigung der Bayerischen Chirurgen mit meinem Team in die Programmgestaltung und Kongressplanung einbringen zu können.