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21. Juli 2021

Corona und die Chirurgie

Dr. Detlef Krenz (l.), einer der zehn Chefärzte am Klinikum Dritter Orden, hat mit seinem Team die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Chirurgie untersucht. Dabei haben er und seine Kollegen mit Sorge festgestellt, dass die Zahl der komplizierten Cholezystektomien (Gallenblasenentfernungen) seit Beginn des ersten Lockdowns im vergangenen März erkennbar zugenommen hat.

Welche Lehren lassen sich aus den bisherigen Erkenntnissen der COVID-19-Pandemie ziehen? Welche Auswirkungen hatte es insbesondere, planbare Diagnostik und Operationen zu verschieben und das Sprechstundenangebot zurückzufahren? Welche Folgen hatte dies für Nicht-COVID-19-Patienten? Wie lief die Notfallversorgung? Dies und vieles andere diskutieren Pflegekräfte, Ärzte und Fachleute aus der Administration am 21. Juli 2021, zwischen 12.30 Uhr und 13.30 Uhr gemeinsam mit dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek auf einem digital vernetzten Podium. Anlass ist die 98. Jahrestagung der Vereinigung der Bayerischen Chirurgen, deren Präsidentschaft Dr. Detlef Krenz übernommen hat. Der erfahrene Viszeralchirurg ist am Klinikum Dritter Orden Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie und wird ebenfalls am Podiumstalk teilnehmen.

In den kritischen Phasen der Pandemie wurde in den Krankenhäusern und den Arztpraxen das wesentliche Augenmerk auf die Versorgung von COVID-19-Patienten gelegt. Sämtliche Kapazitäten wurden dafür zur Verfügung gestellt und viele andere Bereiche heruntergefahren. Dies galt sowohl für die Diagnostik als auch für elektive Operationen. Dies mag mit ein Grund dafür sein, weshalb die Zahl der Diagnosen von Darmkrebserkrankungen im vergangenen Jahr um annähernd zwanzig Prozent gesunken ist.

Offenbar wurden Beschwerden aber auch aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus oftmals lieber ausgehalten und der Besuch beim Arzt viel zu lange hinausgeschoben. Denn obwohl die Notfallversorgung immer gewährleistet war, entstand in weiten Teilen der Bevölkerung der Eindruck, dass es gefährlich sei, in die Notaufnahmen zu kommen.

Ein Gutachten des Expertenteams um Dr. Detlef Krenz kommt nun ebenfalls zu dem Schluss, dass Gallenblasenbeschwerden seit dem Beginn der Corona-Pandemie zu spät behandelt wurden, so dass komplizierte Verläufe während einer Gallenblasenentfernung die Folge waren.

In den meisten Fällen wird die Gallenblase minimal-invasiv entfernt, also durch das sogenannte chirurgische Schlüsselloch. In einigen Fällen ist jedoch nach wie vor ein konventionelles Vorgehen, also ein großer Bauchschnitt erforderlich.
Während des Lockdowns vom 22. März 2020 bis zum 31. Dezember 2020 wurden im Klinikum Dritter Orden 282 Gallenblasen durch Bauchspiegelung entfernt, also mit Hilfe eines endoskopischen Gerätes (Laparoskop) und sehr feiner Instrumente.

Von diesen minimal-invasiv vorgenommenen Eingriffen mussten 3,9 Prozent (also elf Cholezystektomien insgesamt) im offenen Verfahren beendet werden. Dieser Wert unterschreitet zwar immer noch den bayernweiten Referenzwert, der bei 4,1 Prozent liegt. Er überschreitet jedoch deutlich den internen Referenzwert von 1,4 Prozent aus dem Jahr 2013 bis zum ersten Lockdown. In den vergangenen sieben Jahren mussten lediglich 36 der 2.574 Gallenblasenentfernungen, die in der sogenannten Schlüssellochtechnik begonnen wurden, offen zu Ende geführt werden.

Ein Wechsel zum offenen Verfahren ist immer dann erforderlich, wenn ein weiteres laparoskopisches Vorgehen nicht möglich ist, zum Beispiel aufgrund von Verwachsungen im Bauchraum oder wegen einer akuten gangränösen Gallenblasenentzündung, bei der es angesichts mangelnder Blutzufuhr zu einer Blutleere (Ischämie) und zum Zerfall von Gewebe (Nekrose) kommt. Komplikationen wie diese sind typische Folgen verschleppter Gallenblasenbeschwerden.

Die Vielzahl an verschobenen Operationen und das zurückgefahrene Angebot an Sprechstundenterminen während des Lockdowns bewirkten, dass sich ein Großteil der Patienten über die Notaufnahme vorstellen musste, was laut Analyse auf alle sekundär offen operierten Cholezystektomien zutrifft. Des Weiteren gaben die Patientinnen und Patienten in diesen Fällen an, dass sie bereits seit mehr als zwei Wochen unter gallenspezifischen Beschwerden gelitten hätten. Dies zeigt, dass auch die Angst, sich mit dem SARS-CoV-2-Virus anzustecken, das veränderte Patientenverhalten provoziert hat. Alles zusammengenommen hat aus Sicht von Dr. Krenz und seinem Team dazu geführt, dass – neben vielen anderen wichtigen Erkrankungen – auch Gallenblasenbeschwerden zu spät behandelt wurden.

 

Kontakt:
Petra Bönnemann
- Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit -
Telefon: 089 1795-1712
petra.boennemann@dritter-orden.de